Licht hat für uns existenzielle Bedeutung. Nicht umsonst beginnen wir die Osternacht mit dem Ruf „Lumen christi“ – Christ, unser Licht“ und wählen eine kraftvolle Metapher für den auferstandenen Christus. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich in unserem Gesangbuch eine zweistellige Zahl an Liedern findet, die das Licht direkt im Titel tragen; nicht gerechnet die zahllosen Choräle, in denen diese Metapher in den Folgestrophen erscheint.
Auch in den großen Werken zahlloser Komponisten finden sich großartige Umsetzungen der Licht-Metapher, z.B. in Haydns Schöpfung. Der Chor beginnt mit „Im Anfange schuf Gott Himmel und Erde, und die Erde war wüst und leer“ – das ist die erste Zeile im sogenannten sotto voce, also sehr leise und in sich gekehrt, so, als gäbe es nichts, was diesen trostlosen Ort erhellt. Aber dann kommt ein wahrhafter Gänsehautmoment: Der Chor singt „Es werde Licht, und es ward LICHT!“ Dieses letzte Wort kommt im riesengroßen Fortissimo daher, fast so, als wenn man mit einem Ruck einen bodenlangen Vorhang zur Seite zieht. Und fast bedauert man, dass dieser schöne musikalische Moment leider viel zu schnell vorbeigeht, da steuert die musikalische Erzählung der Schöpfungsgeschichte auf einen weiteren Höhepunkt zu: den Aufgang der Sonne. Für den Chor kommt dieser Moment, gerade, wenn man das Oratorium zum ersten Mal aufführt, völlig überraschend, denn Haydn hat den Sonnenaufgang als ein großartiges Crescendo für das Orchester komponiert. Aus einem leisen Geigenakkord entsteht ein großes Brausen bis hin zu einer wogenden Welle an Klang und Tönen, die kein Ende nehmen wollen – eine wahrhaft erhebende geniale Umsetzung der Geburt des Lichts, die bei der Uraufführung des Werks zu einer Sensation wurde. Ein Freund Haydns schrieb dazu: „In dem Moment, als das Licht zum ersten Mal erschien, konnte man sagen, dass Strahlen aus den leuchtenden Augen des Komponisten schossen. Die Verzauberung der elektrisierten Wiener war so allgemein, dass das Orchester einige Minuten lang nicht weiterspielen konnte.“
Zu allen Zeiten hat das Licht die Komponisten zu wunderbaren musikalischen Ideen inspiriert. In jedem Genre findet man geniale Vertonungen des Lichts – ob in der Kirchenmusik, in der Oper, im Schlager und auch im Pop und Rock. Wir haben hier unsere lichtvollen Lieblingsmelodien für die dunkle Jahreszeit für Sie zusammengestellt.
Hören Sie doch einmal herein.
Carola Heuschkel-Kubis
Die Adresse der Playlist : https://www.youtube.com/playlist?list=PL-o2tgNpfCsoccKgY4flWgHXtsryPPY1z
1) Morgenlicht leuchtet, rein wie am Anfang.
Frühlied der Amsel, Schöpferlob klingt.
Dank für die Lieder, Dank für den Morgen,
Dank für das Wort, dem beides entspringt.
2) Sanft fallen Tropfen, sonnendurchleuchtet.
So lag auf erstem Gras erster Tau.
Dank für die Spuren Gottes im Garten,
grünende Frische, vollkommnes Blau.
3) Mein ist die Sonne, mein ist der Morgen,
Glanz, der zu mir aus Eden aufbricht!
Dank überschwenglich, Dank Gott am Morgen!
Wiedererschaffen grüßt uns sein Licht!
Lied 455, Gesangsbuch