Die meisten Menschen versuchen, ein glückliches Leben zu führen. Eine Internetplattform wirbt damit, dass alle 11 Minuten sich ein Single verliebt – dank ihres Dienstes. Ohne Garantie auf dauerhaftes Glück, versteht sich. Der Wunsch nach einer glücklichen Partnerschaft steht weit oben in der Skala der Glückserwartungen, die an das Leben heute gestellt werden. Glück kann man je nach Persönlichkeit auch in anderen Dingen suchen: beruflicher Erfolg und Stolz auf die eigene Leistung, in besonderen Erlebnissen und Erfahrungen auf Reisen an außergewöhnlichen Orten, oder auch im Glück, das man anderen Menschen ermöglicht. Zunehmend wird auch Spiritualität als Glücksfaktor entdeckt. Es gibt eine Fülle von Ratgebern darüber, wie es gelingen kann, einen spirituellen „Mehrwert“ für das Leben zu entwickeln und somit glücklicher zu sein: entspannter, souveräner, in innerer Harmonie, seelisch gesünder. Das Angebot ist multireligiös und interessant. Und mancher findet durch diese Fülle von Angeboten nicht zum Glück, sondern zu einer dauerhaften Verunsicherung darüber, ob er den richtigen Weg eingeschlagen hat oder ob es nicht doch eine bessere Alternative gibt, eine bessere Methode, ein glücklicher Mensch zu sein: noch ein Buch, noch ein Seminar, noch eine Reise zu noch einem anderen spirituellen Ort.
„Es gibt keinen Weg zum Glück. Glück ist der Weg“. Dieser Satz stammt aus dem Buddhismus. Das ist eine Herausforderung. Denn das bedeutet, dass Glück auch eine Entscheidung ist. Es geht nicht um Glück, das man sich durch äußere Umstände dauerhaft verschaffen kann. Es geht um einen inneren Weg.
Die christliche, spirituelle Tradition kennt die „Glückseligkeit“ als Ziel und als Gabe auf dem Weg des Glaubens. Und das bedeutet ein Erfüllt sein von der Gottesgegenwart. Man kann auch schlichter sagen: Es geht um die Erfahrung, mit allen „Baustellen“, die man im Leben hat, doch aufgehoben zu sein, ein ganzer Mensch zu sein, durch Liebe in dieser Welt zu sein. Es ist Glück, in Gott das „Du“ als Gegenüber zu haben, mit dem ich auf mein Leben schauen kann, und in dessen Blick ich loslassen kann, was mich hindert, einengt, an negative Erfahrungen bindet. Meditation oder Gebet sind Mittel und Wege, in denen sich das Leben von Gott her eröffnet, weitet, vertieft. Es ist nicht die Art Glück, „immer gut drauf“ zu sein. Dasein vor Gott, sich nichts über sich selbst vormachen, das genügt. Und das braucht „Dran bleiben“ an solchen regelmäßigen Zeiten in der Stille, auch wenn es langweilig ist, wenn keine guten Gefühle kommen, wenn scheinbar „nichts“ passiert und die Gedanken laut bleiben.
Gott nahe zu sein ist mein Glück (Psalm 73,28) – was für eine schöne Einladung, sich für diese Art Glück Zeit zu nehmen. Denn die Gottesnähe bleibt ja nicht in der Gebetszeit hängen. Sie setzt sich fort in allen Begegnungen des Tages, in der Art und Weise, Aufgaben anzunehmen und auszufüllen. Dass das Leben von Gott her Sinn enthält, dass Gebet oder Meditation diesem Sinn Raum gibt und Richtung für das Handeln, das ist Glück – auch wenn man kein(e) Heilige(r) ist, sondern Mensch bleibt, der sich aufregt, überreagiert, sich verunsichern lässt, angefochten ist.
Ursula Trippel