Die folgenden zwei Wochen führten mich weiter durch Schottland über Glasgow und Edinburgh in den Norden, vorbei an zahlreichen heiligen Orten: Kirchen, aber auch Quellen und Plätzen in der Natur, weithin sichtbar und mit langer Geschichte, wie die großen Kirchenbauten, oder aber nur noch zu erahnen, wie die Überreste mancher Kirchen und Abteien.
In Schottland sind tatsächlich zahlreiche Kirchen und Abteien im wahrsten Sinne des Wortes der Reformation zum Opfer gefallen, wie z.B. in St. Andrews, wo die kämpferischen Predigten des schottischen Reformators John Knox dazu führten, dass die Menschen vor Ort losgingen und die Abtei zerstörten.
An all diesen Orten aber sind die Besucherinnen und Besucher - wenn auch heute zumindest an den Orten, die zerstört wurden, nur noch als Touristen - unterwegs auf den Spuren und in der Tradition von Vorvätern und -müttern, die an diesen Orten lange gelebt, gebetet, gesungen und gefeiert haben, häufig auch bereits in vorchristlicher Zeit. Immer wieder wurden an den gleichen Plätzen von nachfolgenden Generationen neue Gebäude auf den Fundamenten der alten errichtet, wenn diese z.B. durch Feuer zerstört waren, oder es wurde in neuem Baustil erweitert und noch schöner und erhabener gebaut – zur Ehre Gottes.
Eine besondere Ausstrahlung haben auch die Inseln, auf denen vormals Klöster lagen – neben Iona konnte ich Inchcolm im Firth of Forth nahe Edinburgh sowie die Isle of May vor der Küste von Anstruther besuchen. Beides sind kleine Inseln, die heute zum Rückzugs- und Brutgebiet für zahlreiche Seevögel geworden sind. Im letzten Jahrhundert wurden sie wegen ihrer Lage auch militärisch genutzt und die Überreste sind neben den Gebäuden der früheren Abteibewohner ebenfalls sichtbar.
Ein ganz besonderer Ort aber findet sich in Dunino – einem Ort, der sich kaum auf einer Landkarte finden lässt. Dort liegen eine kleine Kirche, umgeben von einem Friedhof, und ein Stück davon entfernt einige Felsen, die schon in vorchristlicher Zeit als Heiligtum genutzt wurden. Zuerst stößt man auf ein steinernes Bassin, das, obwohl es mitten auf dem Felsen liegt, mit Wasser gefüllt ist und als heilig gilt. Daneben führen einige in den Stein gehauene Stufen nach unten zum Flüsschen. In den Felsen geschlagen finden sich wiederum keltische Kreuze. Überall haben Pilger aus unterschiedlichen Materialien und in unterschiedlicher Art gestaltete Symbole hinterlassen, die zum Ausdruck bringen, dass sie etwas Besonderes mit diesem Ort verbinden (vieles sehr esoterisch angehaucht z.B. Geldstücke für die Elfen). Und – für mich war dieses Erlebnis sehr überraschend – an dieser Stelle sind tatsächlich Kraft und Weite spürbar. Auf dem Rückweg nach Deutschland konnte ich noch in London Station machen und habe von dort aus auch Canterbury besucht, ein Ort der geradezu überbordend gefüllt ist mit heiligen Orten aus unterschiedlichen Zeiten.
Angefangen von der alten Kirche St. Martin, deren Ursprung bis ins 4. Jahrhundert zurückreicht, über die Überreste der Abtei in ihren unterschiedlichen Bauphasen, einer Pilgerherberge und v.a. der Kathedrale, dem Sitz des Bischofs der anglikanischen Kirche. Hier reicht ein halber Tag bei weitem nicht, um all den Spuren, Bildern und Darstellungen in Kirche, Krypta, Chorraum und den weiteren Bauten nachzugehen – ein Ausdruck der Hoffnungen und des Glaubens sowie des Lobpreises Gottes so vieler Generationen.
Claudia Winkler