Viele Kinder wurden in diesem Jahr in der Kirche in unserer Gemeinde getauft. Die ganz kleinen waren natürlich in Windeln gewickelt. Oder eher "gepampert". Von ihren Eltern und Großeltern waren sie mit großer Vorfreude erwartet und sind mit großer Erleichterung in die Arme genommen worden.
So fängt jedes Leben an:
zart, zerbrechlich – vielleicht auch fordernd und laut schreiend – bedürftig liegen Kinder in ihren Bettchen auf der Neugeborenen-Station. Die kleinen Menschlein sind ganz und gar abhängig von der Zuwendung der großen Menschen. Sie könnten ohne deren Zuwendung nicht überleben. Das ist in aller Freude und Liebe dann auch manchmal für die zur Mutter und zum Vater Gewordenen ein kleiner Moment des Erschreckens: dieses kleine Leben hängt nun davon ab, dass ich gut damit umgehe, gut verstehe, was das Kind braucht und will.
Alle Jahre feiern wir alle zusammen die eine, besondere Geburt: die von Jesus Christus. Und die Geschichte, die uns der Evangelist Lukas aufgeschrieben hat, erzählt von einem Stall als „Säuglingsstation“, von einer Futterkrippe als Bett, von einer Geburt in „prekären“ Verhältnissen, wie man das heute nennen würde. In unserer Zeit würden aufmerksame Menschen das Jugendamt einschalten bei so viel improvisierten und ungünstigen Startbedingungen. Bei Lukas werden Hirten eingeschaltet. Sie werden von Engeln aufgefordert, den Heiland zu finden: ein Kind in Windeln gewickelt in einer Futterkrippe.
In diesem Kind wird Gott Mensch – so fassen wir die Botschaft des Lukas gerne zusammen. Und das Besondere: das Zeichen der Windeln. Gott wird nicht in der Weise Mensch, wie das für Menschen in der Antike durchaus geläufig war. Dass eine Gottheit überhaupt Menschengestalt annehmen konnte, war den Menschen zur Zeit des Lukas nicht das große Rätsel. Das war durchaus in ihrem religiösen Horizont möglich: römische oder griechische Gottheiten konnten schon mal die Gestalt wechseln und so ihren Wünschen auf Erden nachkommen oder ins Geschehen eingreifen. Dass ein Kaiser Augustus sich gottgleich ehren lassen konnte, das war bittere Wahrheit. Ein Gott in Menschengestalt: souverän und machtvoll, und keinesfalls an das wahre Menschliche gebunden.
Da sagt Lukas: Gott wird ein Neugeborenes – ausgeliefert den Bedingungen der Welt – geboren in ein Volk unter Besatzungsmacht, in eine Welt mit Gewaltausbrüchen, Armut, abseits des sicheren Lebens. Drastisch gesagt: in diesem Kind liefert Gott sich den Menschen und ihrem Willen aus, sich um dieses Kind zu kümmern.
Und: die dieses Kind ansehen, entbrennen in Hoffnung, erzählt Lukas. Und kümmern sich. Nicht nur um dieses Kind, sondern mit diesem Kind wird alle verschüttete Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit neu geweckt und ins Leben gerufen.
Aus dieser Geburtsgeschichte des Lukas können wir herauslesen, dass Gott uns an seiner Geburt in der Welt beteiligen will. Das Neugeborene "in Windeln gewickelt" entzündet in uns, was wir von Gott her sein sollen und sein können:
Menschen, die seine Liebe annehmen und in die Welt tragen, die Leben hüten, sich darum kümmern, sich zärtlich und selbstlos dafür einsetzen und ihr Handeln für den Frieden nicht aufgeben, um dieses Kindes und aller Kinder willen.
Ursula Trippel